Jüdische Geschichte und Kultur am Martin-Buber-Institut
Die jüdischen Studien haben sich sehr verändert seitdem Jitzchak (Fritz) Baer in seiner klassischen Darstellung zu den Juden im mittelalterlichen Spanien, die er erstmals 1945 veröffentlichte, selbstbewusst erklären konnte: „Die jüdische Geschichte, von ihren frühesten Anfängen bis zum heutigen Tag, formt eine organische Einheit. Jede aufeinander folgende Phase ihrer Entwicklung offenbart mit wachsender Klarheit das Wesen jener einzigartigen Treibkraft, die sie antreibt“. Dagegen ist es heute üblich geworden, die Vielfalt der historischen Zusammenhänge sowie die Diversität der jüdischen Kulturen, wie sie sich in unzähligen Kontaktzonen zwischen jüdischen und nicht-jüdischen Zivilisationen entwickelten, zu betonen. Dies wiederrum hat zu einer zunehmenden Zersplitterung der jüdischen Studien geführt, indem vielmals lokale oder nationale Perspektiven auf die jüdische Geschichte und Kultur dominieren und die trans-nationalen und trans-regionalen Zusammenhänge, die das jüdische Leben bis in Gegenwart prägen, vernachlässigt werden.
Die Forschung und Lehre am Martin-Buber-Institut betont daher sowohl die Eingebundenheit der jüdischen Kulturen in ihren unterschiedlichen historischen Kontexten, verfolgt gleichzeitig aber auch vergleichende Ansätze, die die Schnittstellen und Begegnungspunkte verschiedener jüdischer Kulturen untereinander in den Vordergrund stellen. Das Institut verfolgt zudem einen epochenübergreifenden Ansatz, der unterschiedliche Perioden der jüdischen Geschichte miteinander verbindet. Wenn der klassische Ansatz der Judaistik bisweilen als entpolitisiert und antiquarisch kritisiert worden ist, und andererseits eine einseitige Gegenwartsbezogenheit der neueren jüdischen Studien beklagt wird, so sind Forschung und Lehre am Martin-Buber-Institut bemüht, die unterschiedlichen geschichtlichen Epochen und verschiedenen wissenschaftlichen Ansätze beim Studium jüdischer Kulturen zu überbrücken, um der Vielfalt jüdischer Lebenswelten gerecht zu werden.
Wer war Martin Buber?
Das 1966 von Prof. Dr. Johann Maier an der Universität zu Köln gegründete Martin Buber-Institut für Judaistik sieht sich der humanistischen Tradition seines Namensgebers verpflichtet.
Martin Buber (geb. 1878 in Wien, gest. 1965 in Jerusalem) war ein österreichisch-israelischer Religionsphilosoph und Humanist. Buber studierte in Wien, Leipzig und Zürich Philosophie, Nationalökonomie, Germanistik, Kunstgeschichte und Psychologie; 1904 promovierte er mit „Zur Geschichte des Individuationsproblems. Nicolaus von Cues und Jakob Böhme“. Nach ertragreicher publizistischer Tätigkeit begann er um 1925 gemeinsam mit Franz Rosenzweig an einer Übersetzung der Bibel vom Hebräischen ins Deutsche zu arbeiten. Buber selbst nannte diese Übersetzung eine „Verdeutschlichung“, da viele Neologismen erschaffen wurden, um dem hebräischen Ausdruck gerecht zu werden.
1930 wurde er Honorarprofessor der Universität Frankfurt, trat jedoch unmittelbar nach der Machtergreifung Hitlers aus Protest zurück. 1937 folgte der Ruf an die Jerusalemer Universität, an der er Anthropologie und Soziologie lehrte.
Ab 1947 unternahm er mit seiner Frau Paula Buber (geborene Winkler) Vorlesungsreisen durch Europa und Amerika. 1955 gründete er gemeinsam mit Hannah Arendt, Gershom Scholem, Ernst Simon und Robert Welsch das Leo Baeck Institut in New York, um Geschichte und Kultur des deutschsprachigen Judentums zu bewahren und zu erforschen. Buber verstarb 1965 in Jerusalem.
Das Martin Buber-Institut für Judaistik trägt nicht nur Bubers Namen, sondern hält durch seine Spezialbibliothek mit über 400 Briefen an seinen Verleger Lambert Schneider, Manuskripten und weiteren literarischen Zeugnissen in Original- oder Ablichtungsform eine wichtige Quelle zur Erforschung seiner späteren publizistischen Tätigkeit bereit.